Wenn es um die größten Investitionen der Energiewirtschaft geht, fällt immer häufiger ein Name: Afrika. Der Kontinent könnte zu einem der Schlüssel-Player der Zukunft werden.
Es ist eines der größten Bauprojekte der Welt. Kräne drehen sich auf einer vielfach gestuften Staumauer, die so hoch ist wie der Kölner Dom und länger als der Berliner Prachtboulevard „Unter den Linden“. Dahinter füllt sich ein Stausee, der einmal dreimal so groß sein wird wie der Bodensee. Der neue Renaissance-Staudamm in Äthiopien (GERD) wird einer der größten der Welt und soll in wenigen Jahren knapp 6,5 Gigawatt Strom jährlich produzieren – und damit zum Beispiel rund fünfmal so viel wie das deutsche Kernkraftwerk Neckarwestheim. Dabei hat Äthiopien erst vor wenigen Jahren das Gilgel Gibe III-Wasserkraftwerk mit einer 240 Meter hohen Talsperre fertiggestellt. Doch Afrikas Energiebranche ist reich an Superlativen. Es herrscht so etwas wie Goldgräberstimmung.
Afrika setzt sich unter Strom. Die Investitionen sind riesig, aber auch der Bedarf ist gigantisch. Noch vor wenigen Jahren hatten über eine Milliarde Afrikaner so wenig Strom zur Verfügung wie elf Millionen Belgier. 80 Prozent der Menschen in Subsahara-Afrika haben nur zeitweise Strom aus Dieselgeneratoren zur Verfügung, ein Drittel von ihnen lebt ganz ohne Strom. Noch ist Afrika der am wenigsten elektrifizierte Kontinent. Doch das soll sich ändern. Die nötigen Investitionen, um ganz Afrika mit Strom zu versorgen, wurden auf rund 20 Milliarden US-Dollar geschätzt (Quelle: Sieren und Sieren: Der Afrika-Boom).
Energiewirtschaft in Afrika soll neuen Schwung bringen
Wenn Strom fehlt, ist nicht nur der alltägliche Haushalt beschwerlich. Auch die Wirtschaft leidet. Bei einem unserer letzten Videocalls mit der Stay Alliance Kenia hat uns unser Gesprächspartner Festus Juma lange warten lassen. Schließlich kam er: „Tut mir leid, es regnet gerade stark, da fällt regelmäßig der Strom aus.“ Das Problem ist typisch. Im vielbeachteten „Ease-of-doing-business“-Index der Weltbank, einer Untersuchung der Wirtschaftsfreundlichkeit von 190 Ländern, ist der Zugang zu Strom eines der wesentlichen Beurteilungskriterien. Deutschland steht in der Rangliste auf Platz 5 – Ruanda auf Platz 59, Kenia auf 70, Äthiopien auf 137 und Uganda auf 168. Viele afrikanische Regierungen haben fehlende Elektrizität als Engpass für ihre Wirtschaft erkannt und arbeiten mit ausländischen Investoren zusammen, um das Problem zu lösen.
Kenia plant besonders groß. Zusammen mit chinesischen Investoren sollen Windkraftanlagen, ein neues Atomkraftwerk und gleich mehrere große Kohlekraftwerke entstehen. Auch Uganda arbeitet mit China zusammen, vor allem in Wasserkraft. Gleich drei Wasserkraftwerke mit insgesamt 1,38 Gigawatt Kapazität sind geplant. Es fließt aber auch Geld aus anderen Ländern. Der US-Energieriese General Electric und andere Firmen sind mit hohen Summen dabei, die Weltbank organisiert das Programm (siehe Sieren).
Afrika könnte zum Energieproduzenten der Zukunft werden
Liegt es nur am großen Nachholbedarf? Nein, die Voraussetzungen zur Stromerzeugung in Afrika sind günstig, denn der Kontinent ist reich an Rohstoffen. Das gilt auch für alternative Energien. Afrika hat mehr Sonne und mehr Wind als beispielsweise Europa. Immer mehr wird das Potenzial von regenerativen Energien erschlossen. Besonders Kenia investiert bereits Milliarden US-Dollar in Solar- und Windkraftanlagen. Doch es geht nicht nur um Großprojekte. Solarzellen können auch auf privaten Dächern relativ einfach und günstig für Strom sorgen, sogar in Armenvierteln oder in abgelegenen Dörfern.
Die Energiewirtschaft in Afrika befindet sich im Aufbruch. Das ist gut für Afrikas Wirtschaft, aber auch für das Klima. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) rechnet vor, dass 41 Prozent der CO2-Reduzierung in den nächsten 50 Jahren auf das Konto von regenerativen Energiequellen gehen müssen. Nur so ließen sich die Klimaziele erreichen. Ohne grüne Alternativen bei der Stromerzeugung geht es also nicht. Als erster Kontinent hat Afrika die Chance, bei der Stromerzeugung von Anfang an auf Nachhaltigkeit zu setzen. Der Nachzügler könnte zum Vorreiter werden. Und möglicherweise sogar zum Exporteur: Die Wirtschaftsprofessorin Veronika Grimm schreibt im Tagesspiegel, dass Afrika „hervorragende Bedingungen zur Herstellung von grünem Wasserstoff“ habe. Wohlgemerkt: Die Bundesregierung hat gerade eine Wasserstoffstrategie als Baustein der Energiewende verabschiedet, die den Import von grünem Wasserstoff beinhaltet.
Strom wird Afrika für immer verändern
Für Europas Nachbarkontinent entstehen dadurch neue Chancen. Wie das „Leuchtturm-Projekt“ zwischen Deutschland und Marokko zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Zusammen mit vielen anderen großen und kleinen Projekten wird verlässlicher Strom Afrika für immer verändern. Unser Kollege in Kenia, Festus Juma, freut sich bereits über eine kleine Verbesserung: Mittlerweile hat er Solarpaneele auf dem Dach seines Büros installiert. Jetzt produziert er seinen eigenen Strom.
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