Wie der Klimawandel Afrika innovativer macht

Von |2023-04-13T18:53:37+00:00April 6, 2022|Entwicklung|

Wie keine andere Region trifft der Klimawandel Afrika. Ernten und Einkommen vieler Familien sind gefährdet. Doch lokale Profis entwickeln innovative Lösungen, um das Klima zu schützen und Einkommen zu sichern – mit teils historischem Ausmaß.

Das Wetter in Kenia scheint verrückt zu spielen. Während im Norden extreme Trockenheit die Felder verdorrt, versinken immer größere Teile im Zentrum des Landes unter Wasser. Der Viktoriasee und viele andere, kleinere Seen breiten sich aus und haben schon ganze Dörfer verschluckt. Charles Nyakora, Geschäftsführer von C-MAD, einem Mitglied der Stay Alliance Kenia, schult Kleinbäuer:innen in wassersparender und nachhaltiger Landwirtschaft. „Der Klimawandel ist Realität – unsere Bäuer:innen sind damit konfrontiert“, sagt er.

Wie der Klimawandel Afrika trifft

Fachleute sehen das genauso. Laut dem gerade veröffentlichten Bericht des Weltklimarats (IPCC) treffen Klimaveränderungen Afrika besonders hart. Die Temperaturen werden schneller ansteigen als in anderen Regionen der Welt. Auch Überflutungen dürften zunehmen. Und Kleinbäuer:innen mit ein paar Hektar Nutzfläche sind die ersten, die den Wandel zu spüren bekommen. Stanley Mwanika steht einer Kleinbäuer:innen-Kooperative im Osten Ugandas vor. Er erzählt: „Das Wetter wird unberechenbarer. Manchmal regnet es zu viel und manchmal überhaupt nicht. Wir müssen unterschiedliche Erträge zwischen den Regionen ausgleichen.“ Doch das ist schwierig in einer Region, in der viele Dörfer nicht an Straßen angeschlossen sind. Die Familien dort produzieren fast nur für sich selbst. Wenn ihre Ernte schrumpft, droht Hunger. Menschen, die teilweise mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen müssen, versinken noch mehr in Armut oder verlassen ihre Heimat in der Hoffnung auf ein stabileres, seltener von Unwettern geplagtes Umfeld.

Ursache für die globale Erwärmung ist die Konzentration von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre, die von Jahr zu Jahr ansteigt. Beim genaueren Hinschauen stellt man schnell fest, dass der afrikanische Kontinent im Vergleich zu den Industrienationen weitaus weniger solcher Emissionen ausstößt. Oft verursacht eine Person in Afrika sogar nur ein Zehntel so viele Emissionen, wie eine Person in Deutschland.

Manche afrikanischen Länder sind sogar schon klimaneutral

Doch die afrikanischen Länder sehen dieser Entwicklung keinesfalls tatenlos zu. Sie entwickeln in Sachen Klimaschutz pragmatische Initiativen und investieren viel in erneuerbare Energien. Wie zielstrebig und unabhängig sie dabei vorgehen, zeigt zum Beispiel ein Projekt historischen Ausmaßes: Gleich 20 Staaten legen gemeinsam einen Waldgürtel um die Sahara an. Denn die weltgrößte Wüste frisst sich immer weiter in den Kontinent hinein. Damit vernichtet sie wertvolles Ackerland. Die Länder errichten die sogenannte “Grüne Mauer”, die quer über den Kontinent reichen soll – von Senegals Küste am atlantischen Ozean bis ganz in den Osten Äthiopiens. Das lange Band aus Bäumen soll den Verlust von fruchtbaren Böden stoppen. Bis 2030 könnte diese Grüne Mauer unfruchtbares Land zurückgewinnen, tonnenweise Kohlenstoff binden und Millionen von grünen Arbeitsplätzen schaffen.

Außerdem bringt der Klimawandel Afrika und viele Staaten dazu, intensiv am Ausbau erneuerbarer Energien arbeiten. Sei es die Gewinnung von Wasserkraft durch den Bau von Staudämmen, der Bau von Windparks oder die Nutzung von Solarzellen. Private Haushalte nutzen besonders letztere häufig anstelle von Generatoren. Mit eigenen Solarzellen können sie sich unabhängig vom staatlichen Netz selbst mit Strom versorgen.

In Kenia machen solarbetriebene Kühlschränke des SolarChill-Projekts die Kühlung von Lebensmitteln und lebensrettenden Impfstoffen und Medikamenten klimafreundlich und auch in abgeschiedenen Regionen ohne Stromnetz zugänglich. Selbst wenn die Sonne für einige Tage nicht scheint, können die Kühlschränke mit ihrem eingebauten Eisspeicher bis zu fünf Tage kühlen.

Manche afrikanischen Länder sind sogar schon klimaneutral. Das bedeutet, sie stoßen weniger Emissionen aus als sie absorbieren. Ein Beispiel hierfür ist Gabun, das sich einen Großteil seiner Wälder erhalten hat und damit jährlich schon eine Million Tonnen Kohlenstoffdioxid mehr aufnimmt als es ausstößt.

„Der Klimawandel ist Realität – unsere Bäuer:innen sind damit konfrontiert.“

Charles Nyakora, Geschäftsführer von C-MAD, einem Mitglied der Stay Alliance Kenia

Wie die Debatte um den Klimawandel Afrika oft vernachlässigt

Begleitet werden diese Initiativen auch von einer Reihe Klimaaktivist:innen, die nicht müde werden, immer wieder auf die Herausforderungen des Kontinents aufmerksam zu machen. Veranstaltungen wie die UN-Klimakonferenz zeigen, dass der afrikanischen Perspektive mehr Raum gegeben werden sollte. Damit kann die Welt den Ländern, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden, signalisieren, dass sie nicht allein gelassen werden. Nur wenn die Auslöser und Folgen des Klimawandels nicht isoliert voneinander, sondern im weltweiten Zusammenhang betrachtet werden, lässt sich auch an konstruktiven Lösungen arbeiten. Doch leider ist die Debatte oft stark westlich geprägten.

Und diese Debatte führt dazu, dass beim Klimawandel Afrika manchmal als bloße Ausgleichsfläche betrachtet wird. Beispiel Aufforstung: Während der Flächenfraß in Europa andauert, starten europäische Initiativen medienwirksame Baumpflanzaktionen in Afrika. Tatsächlich brauchen viele afrikanische Länder mehr Wald – Uganda etwa ist mittlerweile zu 90 Prozent entwaldet. Allerdings muss Aufforstung mit lokalen Chancen einhergehen. Die Stuttgarter Organisationen Stay und Fairventures gehen genau diesen Weg: Sie fördern lokale, ostafrikanische Initiativen, die Bäume pflanzen und den kleinbäuerlichen Familien Anbaumöglichkeiten schaffen.

In ihren Forstwirtschaftsschulungen lernen die Kleinbäuer:innen, abwechselnd Bäume und rasch wachsendes Gemüse zu pflanzen. Insgesamt wurden 110.000 Setzlinge ausgegeben. Und während die Bäume erst in ein paar Jahren verwertbar sind, konnten die Bäuer:innen von den versetzt gepflanzten Bohnen schon im ersten Jahr im Schnitt 65 Kilogramm pro Kopf ernten und auf den Märkten verkaufen. Mit innovativen Ideen wie diesen lassen sich ökologische und ökonomische Ziele zugunsten der lokalen Familien in Einklang bringen.

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