Die 20-jährige Kleinbäuerin Lillian Scovia erntet heute mehr Mais, als sie es je für möglich gehalten hätte. Sie und ihre Familie können sich jetzt ein festes Haus leisten – und erstmals im Leben schöpft sie Hoffnung.
Vor vier Jahren: Müde lässt Lillian Scovia ihren Blick über das knapp einen halben Hektar große Feld ihrer Familie im Osten Ugandas schweifen. Sie weiß, dass trotz aller Mühen das Feld nicht genug abwerfen wird für Nahrung, für Schulgeld für ihre Geschwister und für ein festes Haus für die ganze Familie. Und das, obwohl alle mit anpacken – ihre Eltern, die junge Frau selbst und ihre jüngeren Geschwister. Lillian ist dabei, sich und ihre Träume aufzugeben. „Das ist eben das Leben von armen Menschen wie mir.“ Damals ahnte sie nicht, wie sich ihr Leben verändern würde…
Riesiges Potenzial – und doch bittere Armut
So wie Lillian und ihrer Familie geht es vielen Menschen in Uganda. Eine Vorher-nachher-Studie der Stay Alliance Uganda hat ergeben, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen vieler befragter Familien im ländlichen Uganda einfach umgerechnet etwa 180 Euro beträgt. Das sind pro Familienmitglied und Tag nur ein paar Cent.
Die meisten dieser Menschen leben von der Landwirtschaft. Viele bauen Getreide oder Hülsenfrüchte an. Aber ihnen fehlt es an Fachkenntnis. Laut ugandischer Regierung ist die Landwirtschaft einer der Bereiche, die eine Schlüsselrolle dabei spielen sollen, Uganda bis 2040 zu einem Land mit mittlerem Einkommensstatus zu machen. Das Klima ist günstig für die Landwirtschaft. Das Potenzial ist riesig – und doch leiden Menschen wie Lillian unter bitterer Armut.
Aus der Not ein Start-up gemacht
Doch Lillian hat sich damit nicht abgefunden. Sie hat die Landwirtschaftsschulung des ugandischen Babybrei-Herstellers Stina Foods besucht. Dieses Sozialunternehmen wurde von der jungen Mutter Justine Mukazungu aus Kampala gegründet. Auch die alleinerziehende Mutter kennt die Angst vor Mangelernährung: Für ihr Baby konnte sie sich keinen Brei leisten. Sie hatte Angst um ihre kleine Tochter und fragte ihre Mutter nach dem traditionellen Familienrezept für Brei. Und tatsächlich: Mit dem alten Rezept nahm ihr Baby endlich an Gewicht zu.
Aus dieser Erfahrung hat Justine ein Konzept entwickelt, das gleich zwei Probleme auf einmal anpackt: Vielen Eltern fehlt Einkommen, und vielen Babys fehlt gesunde Nahrung. Deswegen schult sie Frauen und Männer im Anbau der Breizutaten Reis, Sojabohnen, rote Bohnen und Mais. Nach der Ernte kauft sie ihnen die Erträge für die Brei-Herstellung ab. Sie zahlt sogar mehr als den üblichen Marktpreis. Stina Foods beliefert heute hunderte Supermärkte, Krankenhäuser und Kinderheime. „Stina Foods hat viele Kinder in Uganda vor Mangelernährung bewahrt“, sagt Justine stolz.
Lillian erntet jetzt dreimal so viel
Lillian gehört zu Justines Zulieferinnen von Mais. In der Schulung hat sie gelernt, die Pflanzmethoden anzupassen, besser zu jäten und zu ernten. Außerdem erhält sie hochwertiges Saatgut. All das führte zu einer Ertragssteigerung, die ihr selbst vorkommt wie „magic“ – Zauberei: „Heute kann ich dreimal so viel ernten wie vorher. Wir haben mehr zu essen und können dennoch viel mehr verkaufen.“ Lillian hat gelernt, wie ergiebig ihr Land sein kann. Und sie hat vor allem gelernt, dass sie nicht zu einem Leben in bitterer Armut verdammt sein muss.
Lillian sagt, dank des konstanten Einkommens könne sie nun ihren jüngeren Geschwistern die Schule ermöglichen. Und auch ihr größter Traum wird wahr: Die Familie arbeitet schon am Rohbau eines richtigen Hauses. „Ich bin froh, dass Justine in mein Leben kam und mir das alles beigebracht hat.“
Was einmal funktioniert, funktioniert auch tausendfach
Damit sich eine Erfolgsgeschichte wie die von Lillian so oft wie möglich wiederholen kann, bietet Stay eine Plattform. Im Verband der Stay Alliance Uganda arbeiten ugandische Sozialunternehmen und NGOs zusammen. Gemeinsam haben sie die Idee von Justine Mukazungu zu einem standardisieren Konzept weiterentwickelt und messbar gemacht. Weitere Mitgliedsorganisationen bieten nun ebenfalls Ausbildungen im Anbau von Mais, Hirse, Bohnen oder anderen Feldfrüchten an.
Und die Skalierung funktioniert. Die Vorher-nachher-Studien belegen, dass auch andere Familien der Erfolg von Lillian wiederholen können.
Das Programm Stay Seed ist sozial und auch unternehmerisch. Die Kleinbäuer:innen sollen mit einem Teil ihrer späteren Ernteerlöse einmal die Kosten ihrer Ausbildung zurückzahlen. Damit finanzieren sie die nächste Generation von Schulungsteilnehmenden. Sie schließen einen Kreislauf, der eines Tages ohne fremde Mittel von außen auskommen soll.