Sollte man nicht mal einen passionierten Kämpfer gegen himmelschreiende Armut im ländlichen Kenia, Profis in einheimischer Landwirtschaft und einen internationalen Lebensmittelhändler zusammenbringen? Haben wir gemacht! Was sich für die ärmsten Familien in Kenia dann ändert.
Mehrere laute Knalle schallten aus einem Konferenzraum in Nairobi, dann stand unser erstes Programm in Kenia. Die Knalle stammten von zerplatzenden Luftballons und waren Teil der Programmkonzeptionierung. Vertretende von vier Mitgliedern der Stay Alliance Kenia und deren Geschäftsführerin, Valentine Maina, hatten ihre Erwartungen an das erste Einkommensprogramm der Stay Alliance Kenia auf die Ballons geschrieben. Im Laufe ihres zweitägigen Design-Sprints fokussierten sie das Programm-Konzept immer stärker. Als Folge mussten sie sich von einigen ihrer Erwartungen verabschieden. Sie ließen wortwörtlich die Luft raus.
Ich habe schon viele Workshops moderiert und weiß, wie wichtig es ist, ein gemeinsames Verständnis unter den Teilnehmenden zu schaffen. Und ich weiß, dass man ein klares Konzept daran erkennt, dass es mehr Fragen mit „nein“ als mit „ja“ beantwortet. Jeder zerplatzte Ballon stand für ein „Nein“ und war ein wichtiger Schritt in Richtung eines glasklar konturierten Programms mit nur einem knalligen „Ja“: dauerhaft eigenes Einkommen für möglichst viele Familien.
Dreamteam aus Expert:innen
Die wichtigste Einkommensquelle für die meisten Familien in Kenia ist die Landwirtschaft. Deswegen ist es sinnvoll, hier anzusetzen, um ihre Lage zu verbessern. Charles Nyakora und seine Organisation C-MAD arbeiten seit vielen Jahren mit Familien im ländlichen Kenia zusammen. Er zeigt ihnen zum Beispiel, wie sie selbst ökologischen Dünger herstellen oder ihre Felder effizient bewässern. Im Workshop zählt er die typischen Probleme auf: „Das Wissen der Bäuer:innen ist auf einem niedrigen Niveau. Darunter leidet die Produktivität. Außerdem fehlt es an einer organisierten Vermarktung.“ Dem stimmt Festus Juma von der Organisation SEP sofort zu: „Im Agrobusiness geht es darum, dass die bäuerlichen Familien etwas über Wertschöpfungsketten lernen und wie sie Märkte für ihre Produkte identifizieren.“ Festus leitet SEP mit seinem breiten Tätigkeitsspektrum. Er ist daran gewöhnt, das Armutsproblem von mehreren Seiten anzugehen.
Zusammen mit der dritten Organisation in der Runde, AGRISS, haben sie Kontakt zu Tausenden Familien in mehreren Regionen Kenias. Niemand versteht die Nöte der Kleinbäuer:innen besser als sie. Der eigentliche Geniestreich von Valentine Maina besteht nun darin, dass sie diese drei Armutsversteher mit dem kenianischen Sozialunternehmen Agricycle zusammenbrachte. Denn Agricyle ist ein Experte im Vertrieb landwirtschaftlicher Produkte. Alle vier sind Mitglieder der Stay Alliance Kenia – und bilden nun das Dreamteam des ersten großen Programms.
Kürbis, der unterschätzte Marktliebling
Das Team stand also, die nächste Frage war: Welche landwirtschaftlichen Produkte soll man ins Visier nehmen? Hier kam wieder das Stichwort Fokussierung ins Spiel. Aber Valentine hat einen soliden Business-Hintergrund und ging die Frage planmäßig und analytisch an. Neben den natürlichen Gegebenheiten waren auch von Anfang an die Marktchancen relevante Faktoren. Also besuchte sie Testprojekte, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen, wälzte Berichte und diskutierte viel mit ihren Partnern. Am Ende stand fest: Blattgemüse und Kürbisse hatten die besten Erfolgsaussichten.
Moment mal, Kürbisse? Zugegeben, das hat mich zuerst auch überrascht. Aber die Fakten haben mich schnell überzeugt: Kürbisse gedeihen gut und schnell, sind ungeheuer vielseitig und nährstoffreich. Agricycle hat einen hohen Bedarf an Kürbismehl, das vielfältig weiterverarbeitet werden kann. Außerdem isst man in Kenia auch gern die Kürbisblätter mit. Gekocht ähneln sie Spinat und sind eine leckere Beilage zum beliebten Maisbrei. Kürbis ist also nicht nur ein Superfood, sondern auch ein Superhandelsgut.
Kleinbäuer:innen starten Chips-Produktion
Noch wertvoller werden die Handelsgüter natürlich, wenn die Kleinbäuer:innen sie direkt weiterverarbeiten. Deswegen denken Valentine und ihre Partner jetzt schon über weitere Möglichkeiten der Wertschöpfung nach. Einen ersten Veredelungsschritt machten einige der Kürbisbäuer:innen direkt nach ihrer Ernte Anfang dieses Jahres: Sie wuschen die frisch geernteten Kürbisse, schnitten sie in Scheiben und verteilten sie auf Solartrocknungs-Fächern. Das macht die Kürbischips leichter und den Transport billiger. In der Agricycle-Fabrik spart man sich zudem die aufwendige Vortrocknung und zahlt dafür gern einen kleinen Aufschlag.
Mir liegt besonders am Herzen, dass dieses Programm auf die lange Sicht finanziell unabhängig wird. Deswegen zahlen die Teilnehmenden bei Erfolg einen Teil ihrer Trainingskosten zurück. Der Betrag ist gering und wird auch nur bei Erfolg fällig, er stürzt also niemanden ins Unglück. Und trotzdem ist er wichtig. Einerseits ist er Ansporn für die Kleinbäuer:innen, die einträglichsten Erlösquellen zu finden. Siehe Kürbistrocknung. Andererseits refinanziert die Stay Alliance damit das Programm teilweise selbst und sammelt Kraft für den nächsten Zyklus mit weiteren Kleinbäuer:innen. So stimmt am Ende die Bilanz bei allen Programmbeteiligten.
Bis es soweit ist, muss erst dieser Schulungszyklus abgeschlossen werden. 100 Kleinbäuer:innen haben schon teilgenommen und geerntet. Valentine und ihr Team werden die Ergebnisse genau nachhalten. Bis zum Frühsommer sollen dann weitere 300 Teilnehmende folgen.
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