Im Kampf gegen Vermüllung geht Ruanda voran und verbot Plastiktüten – mit teils ungeahnten Folgen.
Bei einem Spaziergang durch Ruandas Hauptstadt Kigali bietet sich ein für afrikanische Städte oft ungewohnter Anblick. Es gibt kaum Müll an den Straßenrändern, überall Mülleimer – und besonders wehen keine Plastiktüten auf den sauberen Straßen herum. Diese hat die Regierung bereits 2008 verboten, da sie achtlos weggeworfen unter anderem das Abwassersystem verstopften und das Stadtbild verschandelten. Seitdem ist die Produktion, die Einfuhr, der Verkauf und auch der Besitz strafbar. Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen – hohe Geldbußen und sogar einige Monate im Gefängnis sind möglich.
Kigali gilt weithin als die sauberste Stadt Afrikas. Ruanda nimmt im Kampf gegen Umweltverschmutzung eine gewisse Vorreiterrolle auf dem Kontinent ein. Die Regierung führt beinahe einen Feldzug gegen Verschmutzung. Bereits in den Schulen werden Kinder über die Auswirkungen von Plastikmüll aufgeklärt. Einmal im Monat, am Umuganda-Tag, werden sogar die Geschäfte im Land geschlossen und gemeinsam die Straßen gesäubert.
Ungeahnte Probleme
Doch die Durchsetzung des Plastiktütenverbots zog auch einige Probleme nach sich. Besonders am Grenzübergang zur Demokratischen Republik Kongo kontrollieren Zollbeamte nun sehr genau: Hier werden viele Plastiktüten illegal nach Ruanda geschmuggelt. Denn der Umstieg auf umweltfreundlichere Papiertüten ist für kleinere Läden beinahe achtmal so teuer. Insbesondere deshalb nutzen einige Standbesitzer heimlich die verbotenen Tüten – und lassen sie blitzschnell verschwinden, wenn sich Kontrolleure zeigen. Auch derzeit noch erlaubte Hartplastikboxen und Plastiknetze für Obst und Gemüse kommen nun zum Einsatz, sind jedoch kaum nachhaltiger als ihre Vorgänger. Denn obwohl diese mehrmals genutzt werden könnten, landen sie häufig schon nach dem ersten Einkauf im Müll.
Umweltverschmutzung ist auch in Afrika ein großes Problem
Ein Bewusstsein für die Auswirkungen des Mülls ist in Afrika relativ selten. Besonders die Einweg-Plastiktüten gehören praktisch zu jedem Einkauf auf dem Markt und landen danach häufig achtlos auf der Straße. „5 Minuten benutzt, 500 Jahre verrottet“, beschreibt Sam Barrat von der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) das Problem. Nur wenige Länder haben eine effektive Müllabfuhr und ein funktionierendes Recyclingsystem. Und obwohl auf dem Kontinent pro Kopf deutlich weniger Plastik verbraucht wird als in Europa, landet ein höherer Anteil ungefiltert in der Umwelt.
Besonders in Ostafrika wird nun der Kampf gegen die Umweltverschmutzung aufgenommen. Nach Ruanda haben mit den Nachbarländern Tansania und Uganda weitere Staaten ein Verbot von Plastiktüten eingeführt. Und in Kenia gilt sogar das strengste Plastiktütengesetz weltweit: Bei Verstößen droht eine vierjährige Haftstrafe.
Plastiktüten und das Problem der fliegenden Toiletten
Doch die Plastiktüten erfüllen auch einen andren Zweck. Besonders in Kibera, dem größten Slum Nairobis, sind sie als fliegende Toiletten bekannt. Hier gibt es kaum private Toiletten, geschweige denn fließendes Wasser. Die öffentlichen Sanitäranlagen kosten oft so viel, wie die Menschen täglich insgesamt zum Leben haben. Daher erleichtern sich Menschen oft in Plastiktüten und werfen diese dann im Schutz der Nacht so weit wie möglich von sich fort. Die Probleme liegen auf der Hand: Die Umwelt leidet und die Hygiene ist katastrophal. Denn die Ansammlungen solcher fliegenden Toiletten verstopft das sowieso kaum vorhandene Abwassersystem und der verschmutze Inhalt gelangt in die wenigen selbstverlegten Wasserleitungen. Es entstehen Brutstätten für gefährliche Infektionskrankheiten wie Cholera – oder das Coronavirus.
Mit Gesundheitshelfern gegen das Coronavirus
Dabei schützt häufiges Händewaschen vor dem Coronavirus. Um dies auch ohne fließend Wasser zu gewährleisten, wird in Afrika häufig zu tippy taps gegriffen – kippbare Wasserkanister, die die Möglichkeit zum berührungslosen Händewaschen bieten. Auch Stay ist auf diesem Gebiet aktiv: Mehrere Mitglieder der Stay Alliance bilden nun über 200 Gesundheitshelfer aus, um ihr Wissen über Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus mit den Menschen zu teilen. Jedoch zeigt sich auch hier: Wenn die Plastiktüten verschwinden, müssen neue Lösungen für Sanitäranlagen her – denn die Menschen nutzen sie mangels Alternativen.
Neue Lösungen schaffen neue Chancen
Immer wieder kommen findige Afrikaner auf innovative Lösungen. Zum Beispiel, wie aus öffentlichen Toiletten mittels Biogasanlagen Badewasser erhitzt werden kann. Und so haben sie auch Alternativen zu Plastiktüten gefunden. Viele Verkäufer packen Obst und Gemüse nun in Zeitungspapier ein. Andere besinnen sich auf traditionelle Verpackungsvarianten aus Sisal und Bambus oder auf Bananenblätter. Körbe und Tücher kommen in Kenia nun wieder in Mode. Dadurch werden in der Herstellung auch Fraueninitiativen gestärkt und neue Arbeitsplätze geschaffen. Diana Kefa, eine Standbesitzerin, zieht das Fazit: „Jetzt sieht es hier sehr nett aus. Die Plastiktüten haben unsere ganze Umgebung zerstört.“
Mittlerweile sind Plastiktüten in 61 Staaten weltweit verboten. Auch Deutschland scheint die Problematik nun erkannt zu haben. In diesem Jahr sollen leichte Tragetüten aus Plastik verboten werden und ab dem kommenden Jahr in der EU Einwegplastik reduziert werden. Hier sieht man also: Wir können von Afrika noch so einiges lernen.
Quellen: Tagesschau, Zeit Online, Süddeutsche Zeitung, Deutschlandfunk, Focus Online, Wirtschaftswoche, UNEP, Al Jazeera, BBC
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