Deutsche Mittelständler und afrikanische Sozialunternehmen liegen oft auf einer Wellenlänge. Carlheinz Weitmann und Daniel Ludin in einem spannenden Gespräch über das, was Unternehmer in Afrika wie hier beschäftigt.

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Die große Spendengala Stay the Night in Stuttgart im November 2019 ist wieder eine der seltenen Gelegenheiten für hiesige Unternehmer, Teil einer neuen Art der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu werden. Was spricht Unternehmer aus der Region dabei an? Wir haben nachgefragt bei zwei erfahrenen Managern, die bei der letzten Gala dabei waren: Daniel Ludin, Geschäftsführer der JW Froehlich Maschinenfabrik GmbH und Vorstandsvorsitzen der Industrie- und Wirtschaftsvereinigung Leinfelden-Echterdingen e.V. (IWV) und Carlheinz Weitmann, Geschäftsführer der Weitmann und Konrad GmbH (WEKO) und Vorstandsmitglied der IWV.

Stay: Herr Weitmann, nach der Krise in der Druckindustrie und der Finanzkrise hat Ihr Unternehmen WEKO neue Geschäftsfelder erschlossen und blieb so erfolgreich. Was waren die größten Hürden bei diesem Wandel?

Carlheinz Weitmann: Es war ein ganzes Maßnahmenbündel: Wir mussten die Entwicklung und Konstruktion der Produkte stark verändern, wir mussten andere Fertigungen und Maschinen installieren und insbesondere in die Schulung der Mitarbeiter investieren. Da waren nicht nur ein paar Abteilungen betroffen, sondern jeder einzelne Mitarbeiter – da mussten wir alle an einem Strang ziehen, um das zu schaffen. Mir war es besonders wichtig, alle Mitarbeiter miteinzubeziehen und alle in diesem Prozess mitzunehmen. Wir kennen die Menschen, die mit uns arbeiten, das ist auch der Unterschied zu einem Großkonzern. Und es sind nicht nur unsere Mitarbeiter, sondern auch deren Familien, die zu uns gehören. Ein Unternehmer, der hier ansässig ist, der mittelständisch geprägt ist, der muss auch am nächsten Tag noch durch die Stadt laufen können, ohne dass man ihn für das, was er als Geschäftsführer tut, verurteilt. Das beschäftigt mich selbstverständlich sehr.

Stay: Das war bestimmt eine große Herausforderung – woher haben Sie die dafür nötige Unterstützung erhalten?

Carlheinz Weitmann: Was mir in der Zeit am meisten geholfen hat, war, dass ich in der Industrie- und Wirtschaftsvereinigung Leinfelden-Echterdingen (IWV) Kollegen hatte, die ich um Rat fragen konnte und die durch die Finanzkrise ein ähnliches Schicksal getroffen hatte. Da bietet die Industrie- und Wirtschaftsvereinigung eine hervorragende Plattform, um mit Gleichgesinnten zu sprechen und durch den Austausch und die Erfahrungen der anderen neue Perspektiven zu gewinnen. Als Geschäftsführer sitzt man sonst oft alleine am Schreibtisch, und so hat die IWV ein sehr hilfreiches Miteinander geschaffen, von dem wir alle hier im Mittelstand profitieren – und das natürlich nicht nur in Krisenzeiten.

Daniel Ludin: Meine Erfahrung diesbezüglich ist eben auch, dass gerade die Mitarbeiterverantwortung eines unserer wichtigsten Themen im Mittelstand ist. Das ist eine riesige Verantwortung, die da auf unseren Schultern lastet – es ist auch nicht nur die Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber, die wir tragen, sondern auch gegenüber unseren Zulieferern, denn die sind auch die ersten, die in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn unser Unternehmen in die Krise geht.

Stay: Ein Schwerpunkt in der Arbeit unserer Sozialunternehmer in Uganda liegt in der Bildung. Herr Ludin, Ihre Firma JW Froehlich hat zum wiederholten Mal zwei Auszeichnung vom Wirtschaftsmagazin Capital in den Kategorien „Beste Ausbilder Deutschlands“ und „Beste Ausbilder Deutschlands Duales Studium“ bekommen. Auf welche Maßnahmen setzten Sie bei der Ausbildung?

Daniel Ludin: Naja, so eine Auszeichnung ist ja nur die Spitze des Eisberges – wir haben schon vor langem angefangen, die Ausbildung zu stärken, denn für unsere Produkte brauchen wir hochqualifizierte Mitarbeiter. Normalerweise brauchen die Leute zwei bis vier Jahre, bis sie so weit sind, dass sie voll mitarbeiten können – und um diesen Prozess zu beschleunigen, ist eine gute Ausbildung die beste Maßnahme. Uns war klar, dass der Fachkräftemangel kommen wird. Deshalb fördern wir unsere Mitarbeiter sehr, nicht nur fachlich, sondern auch im persönlichen Bereich, um die Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken.

Stay: Das ist ja nicht selbstverständlich. Gerade auf dem globalen Markt gibt es viele Wettbewerber um hochqualifizierte Fachkräfte. Wie gehen Sie damit um?

Daniel Ludin: Wir haben zum Beispiel auch in China zwei Niederlassungen, und auch da gilt: die Identifikation unserer chinesischen Mitarbeiter ist so groß, dass wir dort in den letzten 20 Jahren nur einen Abgang hatten. Weiterbildungsmaßnahmen werden bei uns sehr groß geschrieben. Ich kenne niemanden, der mit so viel Herzblut ausbildet, wie der Mittelstand.

Carlheinz Weitmann: Ja, die Ausbildung hat auch bei uns einen enorm hohen Stellenwert. Eine andere Sache würde ich auch gerne noch herausstellen: Zum Beispiel Lohnerhöhungen um bis zu vier Prozent, die jetzt in bestimmten Branchen beschlossen wurden. Das machen wir selbstverständlich. Aber der Spielraum, den die Mittelstandsunternehmen hier haben, ist einfach sehr viel geringer, als der von Großunternehmen.

Daniel Ludin: Genau, da sind wir an einem entscheidenden Punkt: Das alles funktioniert in den fetten Wirtschaftsjahren, die wir jetzt haben, es funktioniert aber überhaupt nicht und endet in einem Unternehmenssterben, wenn die Konjunktur zurückgeht. Denn Lohn- und Tariferhöhungen sind dann festgeschrieben, davon kommen wir nicht mehr runter.

Stay: Außerdem haben Sie nicht so eine große Lobby wie Großkonzerne sie haben können, um gegenüber der Politik Druck auszuüben.

Daniel Ludin: Das stimmt. Die Großen gehen einfach zum Wirtschaftsminister oder zum Ministerpräsidenten. Wenn wir da hingehen und sagen, dass wir 20 Arbeitsplätze abbauen müssen, dann sagt der: na und? Deshalb sind wir ja auch schon lange in der IWV engagiert und können unsere Anliegen gemeinsam viel besser vertreten. Denn anders als in einem Großkonzern, wo die Manager ständig wechseln, sitzen wir meist sehr lange in unseren Unternehmen. Wir sorgen uns um unsere Mitarbeiter und gehen mit ihnen durch die Krisen. Da möchte ich auch betonen, dass wir im Mittelstand das Wort Nachhaltigkeit schon viel länger in den Mund nehmen – wir brauchen sie: Nachhaltigkeit ist für uns ein Teil der Unternehmenskultur.

Stay: Wie setzen Sie Nachhaltigkeit auch in Forschung und Technologie um?

Carlheinz Weitmann: Wir bei WEKO erzielen mit weniger Aufwand, weniger Pudermenge, bessere Ergebnisse. Je besser unsere Maschinen funktionieren, desto weniger schädliche Stoffe müssen wir nutzen. Vorhänge zum Beispiel werden mit unseren Geräten mit chemischen Stoffen behandelt, die nicht gerade zum Verzehr geeignet sind. Aber unsere Geräte sind so gut, dass wir da nur minimalste Mengen brauchen, damit dieser Vorhang nicht gleich hochbrennt, wenn Sie da eine Zigarette hinwerfen. Alles, das wir für unsere gesamte Produktpalette an Forschung betreiben, steht im Sinne der Nachhaltigkeit und macht gleichzeitig unsere Maschinen und Produkte effizienter und erfolgreicher.

Daniel Ludin: Ja, oftmals sind die kleinen Unternehmen auch die, die die großen Unternehmen eigentlich erfolgreich machen, indem sie viel Geld in die Forschung und Entwicklung neuer Technologien investieren. Sie tragen durch ihre Innovationsfreude konstant zum Fortschritt und dem Erfolg der großen Unternehmen bei.

Carlheinz Weitmann: Ja genau. Und darüber hinaus machen wir auch viel: wir haben Solarpanels auf dem Dach und schauen auch, dass wir die sparsamsten Automobile einsetzten. Für Stuttgart haben wir deswegen jetzt ein Elektroauto gekauft. Wir liefern auch Ersatzteile für Geräte, die 50 Jahre alt sind – das kriegt man ja sonst auch fast nirgendwo mehr. Daniel Ludin: Auch wir haben Elektrofahrzeuge in unserem Fuhrpark, und die nutzen nicht nur wir, sondern stellen sie auch unseren Mitarbeitern kostenfrei zur Verfügung. Oder nehmen Sie unsere Zuschüsse zu den ÖNVP-Tickets unserer Mitarbeiter. Darüber haben wir auch in der IWV gesprochen, um uns über die beste Umsetzungspraxis auszutauschen und dann festgestellt, dass das schon fast jeder macht. Für uns ist die Nachhaltigkeit eine Selbstverständlichkeit, eine Sache, die wir mit unseren Mitarbeitern zusammen machen. Das Thema Nachhaltigkeit leben wir – vielleicht reden wir zu wenig darüber.

Stay: Auch für unsere Sozialunternehmer in Uganda spielt der langfristige Mehrwert für ihre Gemeinden eine große Rolle. Ihre Unternehmen sind beide schon seit über 50 Jahren hier in Leinfelden-Echterdingen ansässig. Was macht für Sie den Standort so besonders?

Carlheinz Weitmann: Der Flughafen ist für uns natürlich sehr, sehr wichtig.

Und hoffentlich geht es auch bald mit dem Filderbahnhof voran, davon werden auch Stuttgart-Vaihingen und Stuttgart-Möhringen profitieren. Die Messe ist natürlich auch toll.

Daniel Ludin: Infrastruktur ist ein großes Thema: denn wenn der Verkehr hier kollabiert und die Mitarbeiter morgens schon eine Stunde im Stau stehen, bevor sie bei der Arbeit sind, dann fahren sie nicht mehr zu uns, dann wechseln sie die Stelle und fahren in die andere Richtung. Deshalb haben wir auch als Unternehmer und in der IWV die Aufgabe, das alles hier nicht nur weiterhin so zu bewahren, sondern auch für die Zukunft passend mitzugestalten. Dafür setzten wir uns gemeinsam ein.

Stay: Vieles von dem, was Sie im deutschen Mittelstand bewegt, spielt auch für die Sozialunternehmen in Uganda eine Rolle: Verantwortung gegenüber Ihren Mitarbeitern und der Gesellschaft, die Schwerpunktthemen Ausbildung und Nachhaltigkeit. Und auch Sie wissen durch Ihr Engagement in der Industrie- und Wirtschaftsvereinigung Leinfelden-Echterdingen, dass einer alleine nicht so viel bewegen kann, wie ein Netzwerk von Menschen, die sich beratend und unterstützend zur Seite stehen – so wie die Stay Alliance Uganda.

Daniel Ludin: Deshalb waren wir auch so begeistert von dem Vortrag von Benjamin Wolf auf der Gala! Er hat Stay in einer so unaufgeregten und motivierten Art vorgestellt und man hat gleich gemerkt, mit wie viel Herzblut er dabei ist – davon waren glaube ich alle, die bei der Gala waren, tief beeindruckt und berührt, weil das auch den Kern der Unternehmensphilosophie der Mittelstandsunternehmen widerspiegelt.

Stay: Wir danken Ihnen beiden sehr für das Gespräch und freuen uns auch in Zukunft auf einen regen Austausch mit Ihnen! Auf bald!

Olivier Marchal