Ruandas Regierung ist mehrheitlich weiblich. Sie steht stellvertretend für einen gewaltigen gesellschaftlichen Wandel im Land. Frauen spielen dabei eine große Rolle – in der Politik wie in der Wirtschaft.
Frauen als Entscheiderinnen? In Ruanda Alltag
Als Ruandas Präsident Paul Kagame vor kurzem sein neues Kabinett vorstellte, sorgte er für eine Überraschung: Den bisher schon hohen Frauenanteil von 50 Prozent erhöhte er noch einmal. Zukünftig werden von den dann 27 Kabinettsposten 14 mit Frauen besetzt. Damit ist Ruanda weltweit auf Platz sechs der Länder mit den weiblichsten Regierungen. Bei der Gleichstellung von Frauen und Männern insgesamt steht das Land weltweit auf Platz neun, Deutschland nur auf Platz zehn, ermittelte das World Economic Forum.
Überall im Land, wo es etwas zu entscheiden gibt, reden Frauen mit. Das gilt auch für die Wirtschaft. Nehmen wir zum Beispiel Jeannette Umutoniwase aus Ruandas Hauptstadt Kigali. Schon als kleines Mädchen nahm sie die Armut in ihrem unmittelbaren Umfeld wahr. „Mein Traum ist es, die Situation Afrikas zu verändern und Armut zu bekämpfen“, erzählt sie heute. Jeannette nutzte die Ausbildungschancen, die jungen Frauen in Ruanda gegeben werden und schaffte ihren Universitäts-Abschluss. Nebenbei nähte sie Kleidungsstücke, um sich über Wasser zu halten. Heute hat sie aus ihrem Talent ein Unternehmen gemacht. Sie fertigt einheimische Trachten, Sandalen und Handtaschen. Mit ihrer Organisation „Inzira Dreams Network“, die Teil der Stay Alliance ist, gibt sie ihr Wissen an Jugendliche und Frauen weiter und weist ihnen einen Weg aus der Armut. Die Aufstiegsgeschichte von Jeannette ist eine von vielen in Ruanda.
Was steckt dahinter? Ruanda hat in den vergangenen Jahren einen dramatischen Wandel erlebt. Noch in den 90er Jahren war das Land zerrissen durch einen blutigen Konflikt. Heute herrscht Frieden. Der seit 2000 regierende Präsident Paul Kagame hat Ruanda auf Reformkurs gebracht. Vieles ist seither geschehen: Neuerungen im Wirtschaftsbereich erleichtern Unternehmen das Leben. Die Wirtschaftsleistung ist in den vergangenen Jahren um jeweils mehr als acht Prozent gewachsen. Die öffentliche Verwaltung soll mit einem ambitionierten Programm modernisiert und auf Augenhöhe mit dem reichen Stadtstaat Singapur gebracht werden. Außerdem hat Kagame der Verschmutzung im öffentlichen Raum den Kampf angesagt – Kigali gilt als eine der saubersten Städte Afrikas, Plastiktüten sind im gesamten Land verboten. Und vor allem wurde die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Verfassung festgeschrieben.
Die Bevölkerung wächst – und Frauen tragen die Last
Frauen haben es in vielen Ländern Afrikas oft schwer. Als Mütter von oft fünf oder mehr Kindern haben sie kaum eine Chance auf Schulbildung. Statistiken belegen einen starken Zusammenhang zwischen fehlendem Zugang zu modernen Verhütungsmitteln und einem geringen Anteil von Mädchen an weiterführenden Schulen. Zwei Drittel aller Analphabeten weltweit sind Mädchen und Frauen, die meisten davon Mütter. Diese Frauen werden oft mit der Hausarbeit und Kindererziehung allein gelassen – und bleiben abhängig vom Einkommen ihrer Männer. Deshalb nannte die Weltbank die Schulbildung von Mädchen die „einflussreichste Einzelinvestition in Entwicklungsländern“.
Doch die hohen Geburtenraten stellen auch die Regierungen Afrikas vor große Herausforderungen. Die rückständige Infrastruktur aus Schulen, Straßen, Stromtrassen muss nicht nur aufgebaut werden, sondern direkt mitwachsen. Die Frage, wie die Länder der Subsahara mit dem enormen Bevölkerungsdruck umgehen, wird entscheidend sein für ihre Zukunft.
Erst kommt die Schule, dann die Unabhängigkeit
Wohl kein anderes Land in der Subsahara geht diese Probleme so konsequent an wie Ruanda. Mit rund 12 Millionen Einwohnern auf einer Fläche wie der von Hessen ist Ruanda heute das am dichtesten besiedelte Land Afrikas. Noch wächst die Bevölkerungszahl weiter, im Schnitt kommt eine Viertel Million Menschen jährlich hinzu. Durchschnittlich bringt jede Frau Ruandas fünf Kinder zur Welt. Doch die Regierung strebt eine 3-Kind-Politik an. Sie ermöglicht Frauen einen viel besseren Zugang zu Medikamenten und Verhütungsmitteln. Die verbesserte Familienplanung gibt Frauen deutlich mehr Autonomie. Deswegen gehen heute in Ruanda anteilsmäßig mehr Mädchen zur Schule als in den meisten Nachbarländern.
Die Politik zeigt Wirkung: Konsequent nutzt Ruanda das Potenzial von Frauen für die wirtschaftliche Entwicklung. Frauen mit guter Ausbildung gründen kleine Handwerksbetriebe und Start-ups. Frauen wie Jeannette, die dank einer Gleichstellungspolitik, die zu den fortschrittlichsten Afrikas gehört, ein selbstbestimmtes Leben führen. Wir bei Stay sind stolz darauf, solche starken Frauen in unserm Netzwerk „Stay Alliance KWIGIRA Rwanda“ zu haben. Weitere von ihnen stellen wir euch immer wieder in diesem Blog vor.
Quelle Fakten: https://allafrica.com, deutschlandfunk, Wikipedia, Le Monde diplomatique Oct/Nov 2019