Zwei Wege ins Leben: So unterschiedlich verlaufen Schwangerschaft und Geburt in Deutschland und Uganda

Von |2024-08-19T19:29:32+00:00August 19, 2024|Frauen, Uganda|

Zum ersten Mal schwanger: Eine überwältigende Erfahrung für unsere Blog-Autorin, die dankbar ist für die umfassende Versorgung in Deutschland. Aber wie ergeht es schwangeren Frauen in Uganda? Ein Vergleich.

Wer in Deutschland ein Kind bekommt, nimmt die gesundheitliche Versorgung und Gewohnheiten hierzulande als selbstverständlich hin. Vorsorgeuntersuchungen und Geburtsvorbereitungskurs gehören genauso wie eine Nachsorgehebamme zur Standardversorgung von Schwangeren. In ländlichen Regionen Ostafrikas hingegen erleben werdende Mütter die Schwangerschaft und Geburt oft anders.

Die Schwangerschaft: Mutterpass und Vorsorgeuntersuchungen

Es ist Ende Januar 2023. Mein positiver Schwangerschaftstest hat mich dazu veranlasst, in der Praxis meiner Frauenärztin anzurufen. Sofort habe ich einen Termin erhalten. Dieser dient zum einen dazu, die Schwangerschaft zu bestätigen und zum anderen, die nächsten Schritte zu besprechen. In regelmäßigen Abständen sollen der kleine heranwachsende Mensch in meinem Bauch und ich also zu den Vorsorgeterminen in die Praxis kommen.

Mit den ganzen Terminen und der Vorsorge während meiner Schwangerschaft habe ich mich gefragt, wie es eigentlich Frauen in Afrika in der gleichen Lage geht. Also begann ich meine Recherche. Im ländlichen Uganda, genauer gesagt in dem kleinen Dorf Alenga im Apac Distrikt nahezu ganz in der Mitte des Landes, geht es nicht ganz so schnell, bis eine Schwangere und ihr Ungeborenes Untersuchungen durch medizinisches Personal wahrnehmen können. Die Teilnehmerinnen der Stay-Projekten leben typischerweise in solchen ländlichen, ärmeren Teilen des Landes. Das dezentralisierte Gesundheitssystem in Uganda ist aus Health Centern der Stufen eins bis vier sowie Krankenhäusern aufgebaut. Eine Schwangere im ländlichen Uganda wird in den lokalen Health Centern der Stufe drei versorgt. Der Weg bis zum nächsten Krankenhaus ist weit. Wer allerdings in Städten lebt und wohlhabender ist, erhält eine bessere Versorgung, die der in Deutschland ähnelt. Die Verfügbarkeit von Ärzt:innen und Krankenhäusern ist hier deutlich höher.

Foto: Canva

Auf der Geburtenstation des Health Centers in Alenga jedenfalls sind keine Ärzt:innen vor Ort, sondern Hebammen und Pfleger:innen. Bei Teilnahme am USAid Voucher Programm, einem Projekt speziell zur Verbesserung der Versorgung von Müttern und Neugeborenen, werden vier Vorsorgeuntersuchungen sowie die Geburt bezahlt. Wer nicht am Programm teilnimmt, muss für die Kosten dieser Behandlungen selbst aufkommen. So kann es passieren, dass manche über die gesamte Schwangerschaft keine Krankenstation aufsuchen und somit kein Gesundheitspersonal sehen. Diejenigen, die diese Vorsorgeuntersuchungen aber wahrnehmen, werden dort gewogen, gemessen und erhalten im Anschluss eine Art Mutterpass. In einem kleinen Labor vor Ort werden die Blutgruppe bestimmt, der Urin untersucht und ein HIV-Test durchgeführt. Außerdem wird die Tetanusimpfung aufgefrischt und Malariaprophylaxe sowie Eisen und Folsäure ausgehändigt. Die Schwangerschaftswoche wird bestimmt, indem eine Hebamme den Bauch abtastet. Da Strom nicht durchgängig vorhanden ist, kann kein Ultraschall durchgeführt werden.

Regelmäßige Termine vor der Geburt

Das ist in Deutschland komplett anders. Der Mutterpass, der mir direkt bei meinem ersten Frauenarzttermin ausgehändigt wurde, sieht vier- und später zweiwöchige pränatale Untersuchungen vor. Dazu zählen mindestens drei Ultraschalluntersuchungen, bei denen unter anderem Parameter wie Größe und Gewicht des Ungeborenen bestimmt werden. Die Laboruntersuchungen hierzulande sind ebenfalls deutlich umfangreicher als die oben beschriebenen im Health Center. Bei besonderen Risiken oder auf Wunsch wird sogar eine noch umfangreichere Feindiagnostik angeboten. Ab den späteren Schwangerschaftswochen werden auch sogenannte CTGs (Kardiotokografie) geschrieben, bei denen die Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindes und die Wehentätigkeit der werdenden Mutter gemessen werden.

Hierzulande wird also der Zustand von Mutter und Kind bis zur Geburt genauestens dokumentiert und überwacht mit dem Ziel, Mutter und Kind bestmöglich zu betreuen und Komplikationen frühzeitig zu erkennen. In ländlichen Teilen Ostafrikas sind die Vorsorgeuntersuchungen weniger umfangreich, sofern werdende Mütter diese überhaupt wahrnehmen können. Dennoch bietet das Gesundheitssystem den Schwangeren, wenn man die vorhandenen Möglichkeiten und Gegebenheiten berücksichtigt, eine bestmögliche Versorgung.

Die Geburt: Was passiert im Fall von Komplikationen?

Dann ist es endlich soweit. Der Tag der Entbindung steht an. Planen kann man diesen natürlich nicht, auch wenn seit Wochen alle Gedanken um dieses Ereignis kreisen. Nach dem Besuch eines Geburtsvorbereitungskurses (zusammen mit meinem Partner) fühlte ich mich zwar etwas mehr informiert, aber wusste trotzdem nicht, was wirklich auf mich zukommen wird. In Deutschland fahren die meisten Schwangeren für die Entbindung in ein Krankenhaus ihrer Wahl, wenige entscheiden sich für eine Hausgeburt. Bei dieser ist dann allerdings eine Hebamme vor Ort und die Kliniktasche steht für den Notfall immer bereit. Im Kreißsaal angekommen, wurde ich in einem eigenen Wehenzimmer von den diensthabenden Hebammen und Ärzt:innen betreut. Angeschlossen an ein CTG wird genauestens beobachtet, wie es Mutter und Kind geht. Egal ob man in Deutschland städtisch oder ländlich lebt, die Kliniken sind auf alle Eventualitäten während der Geburt vorbereitet und eine professionelle Versorgung von Mutter und Kind ist gewährleistet.

Foto: Canva

In Alenga dagegen kommen werdende Mütter unter Wehen in die Geburtenstation des Health Centers. Falls die Kapazitäten nicht ausreichen, müssen manche Frauen im Gang der Einrichtung ihre Wehen bewältigen. In Osten Afrikas gibt es durchschnittlich 2,5 Hebammen pro 10.000 Einwohner:innen – weit wenig als der weltweite Durchschnitt von 4,4. Uganda zählt dabei zu den Ländern mit den wenigsten Hebammen. An hektischen Tagen finden in Alenga bis zu sechs Geburten statt. Die zwei Betten im Geburtshaus sind nur selten gleichzeitig belegt, sodass mehrere Entbindungen in einem Raum stattfinden müssen. Da kein fließendes Wasser vorhanden ist, werden alle medizinischen Utensilien für die Entbindung mit Wasser aus einem Brunnen und Desinfektionsmittel sterilisiert. Im Anschluss verbringen die Mütter ein oder zwei Nächte mit ihren Babys in einem separaten Raum für die Wöchnerinnen. Ihnen steht nur ein Bett zur Verfügung. Ihre Familien bringen ihnen Essen dorthin. Trotz der angebotenen Versorgung im Health Center sind es in den ländlichen Regionen Ostafrikas über 50 Prozent, die zu Hause entbinden. Für sie ist der Weg ins Krankenhaus oft zu weit oder ihnen steht keines der Hauptfortbewegungsmittel (Fahrrad oder Motorroller) zur Verfügung. Sie und ihre Babys sind dadurch von der medizinischen Versorgung abgeschnitten.

Geburten laufen selten nach Plan und in vielen Fällen auch nicht komplikationslos ab. Bei mir war es so, dass meine Tochter spontan mit einem Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden musste. Die Hebammen und Ärzt:innen haben in Minutenschnelle reagiert und mich nur zwei Zimmer weiter in den OP-Saal gebracht. Diese schnelle und umfängliche Versorgung ist ein Privileg, das ich im Nachhinein noch mehr zu schätzen weiß.

Im Health Center in Alenga müssen Komplikationen während der Geburt anders bewältigt werden. Es stehen dort wenige Medikamente zur Verfügung, dementsprechend gibt es zum Beispiel auch nicht die Möglichkeit einer PDA (Periduralanästhesie), eine Form der medikamentösen Schmerzlinderung während der Geburt. Einzig Dammschnitte werden mit vorheriger Betäubung durchgeführt. Sollte es unerwartet während der Geburt zu schlimmeren Komplikationen kommen, werden die Frauen so schnell wie möglich mit einem Rettungswagen in das nächste Klinikum gefahren. Dadurch, dass keine ärztliche Betreuung zur Verfügung steht, wird in solchen Fällen oftmals zu spät reagiert.

Die beschriebenen Unterschiede im Zugang zur Versorgung, Hygiene und der Gesundheitsinfrastruktur führen dazu, dass Komplikationen während der Geburt und die Müttersterblichkeitsrate in Ostafrika höher sind als in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Die häufigsten Ursachen dafür sind unzureichende pränatale Versorgung, Blutungen während der Geburt, Infektionen und Hindernisse bei der Entbindung. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt die geschätzte Müttersterblichkeitsrate in den Ländern Uganda, Ruanda und Kenia bei etwa 320 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten. Im Gegensatz dazu sterben in Deutschland weniger als vier Mütter pro 100.000 Lebendgeburten. Diese Zahlen verdeutlichen die Herausforderungen im Zusammenhang mit Geburtskomplikationen in dieser Region.

Foto: privat

Die Zeit nach der Geburt: Wochenbett und Rückbildung

Hierzulande verbringen Mutter und Kind die Zeit nach der Geburt auf der Wöchnerinnenstation, wo sie weiterhin von Hebammen, Ärzt:innen und Pflegepersonal umsorgt werden. Nach Wunsch und Verfügbarkeit gibt es sogar Familienzimmer, in denen auch der/die Partner:in mit schlafen darf. Wieder zu Hause angekommen, hat eine frischgebackene Familie in Deutschland in aller Regel genug Zeit, sich in Ruhe kennenzulernen. Eine Nachsorgehebamme besucht die Familie zu Hause und betreut Mutter und Kind. Dank der Regelung zum Mutterschutz dürfen Mütter normalerweise bis acht Wochen nach der Geburt nicht arbeiten und auch danach bis zu drei Jahre Elternzeit in Anspruch nehmen. Den Vätern steht ebenfalls die Möglichkeit offen, Elternzeit oder Urlaub zu nehmen.

Auch die ostafrikanischen Mütter und ihre Babys verbringen das Wochenbett zu Hause im Kreise ihrer Familie. Es ist ganz normal, dass die älteren Kinder mithelfen und zum Beispiel das Baby tragen, das sowieso – anders als hier – im Tuch auf dem Rücken überallhin mitkommt. Einen staatlich geregelten Mutterschutz gibt es allerdings nicht. Wenn, dann bezahlt der Arbeitgeber einen Mutterschaftsurlaub. Frauen, die im informellen Sektor wie der Landwirtschaft arbeiten, sind deshalb dennoch nicht abgesichert. Problematisch wird es tatsächlich, wenn eine Mutter im ländlichen Uganda nicht stillen kann. Babynahrung ist nur in der nächsten Stadt erhältlich, zu der es oft ein weiter Weg ist. Außerdem ist diese relativ teuer, deshalb hat sich in vielen afrikanischen Ländern auch ein unkontrollierter Schwarzmarkt entwickelt.

Die richtige Nachsorge verringert Risiken

Sechs bis acht Wochen nach der Geburt steht bei mir der abschließende Nachsorgetermin an. In der Frauenarztpraxis, wo die Reise begann, schaut meine Ärztin jetzt also genau nach, ob sich die Gebärmutter gut zurückgebildet hat, eventuelle Geburtswunden verheilt sind und die Milchbildung gut funktioniert. Auch für mein Kind sind von nun an in monatlichen Abständen eine Reihe von Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen in der Kinderarztpraxis vorgesehen, bei denen der Gesundheitszustand und die altersgemäße Entwicklung überprüft werden. So können mögliche Probleme oder Auffälligkeiten frühzeitig erkannt und behandelt werden. Nicht lange nach der Nachsorgeuntersuchung fing ich an, einmal pro Woche zum Rückbildungskurs zu gehen. Abgesehen davon, dass ich mich auf die Bewegung und Abwechslung im neuen Alltag gefreut habe, erfüllen Rückbildungskurse wichtige gesundheitliche Aspekte. So verhindern sie zum Beispiel Inkontinenz oder dass sich die Gebärmutter absenkt.

Im Health Center in Alenga erden weder solche Nachsorgeuntersuchungen für die Mütter noch die Untersuchungen für die Kinder angeboten. Die Frauen kommen lediglich dann mit ihren Babys zum Health Center, wenn eine Impfung ansteht. Circa 50 Mutter-Kind-Paare warten an so einem Impftag vor den Türen des Health Centers. Eine richtige Untersuchung des Babys findet auch da nicht statt. Die Kinder werden gewogen und falls sie zu dünn sind, wird ein Gespräch mit den Eltern geführt. Rückbildungsgymnastik ist in den ländlichen Regionen Ostafrikas ebenfalls nicht weit verbreitet. Das birgt ein höheres Risiko für Organsenkungen, was aber trotz vieler Schwangerschaften und Geburten relativ selten vorkommt. Die Säuglinge werden in traditionellen Kulturen nach dem Wochenbett den ganzen Tag in der für die Mutter schonenden Haltung auf dem Rücken getragen, vor allem bei der Arbeit. Dabei können sich die einseitige Schwangerschaftsbelastung, ein starker Rücken, die Hohlkreuzhaltung und der geöffnete Beckenboden wieder langsam zurückbilden.

Was uns eint

Manche Abläufe und Gegebenheiten vor, während und nach der Geburt unterscheiden sich grundlegend in Deutschland von Uganda. Viele der Unterschiede, zum Beispiel in Hinblick auf Versorgung oder Hygiene, bringen drastische Folgen mit sich. Für andere haben die Frauen im ländlichen Ostafrika auch ihre eigenen, ebenfalls sehr effektiven Herangehensweisen gefunden. Doch der Weg eines kleinen Menschen ins Leben bleibt am Ende das gleiche, uns einende, wundervolle Erlebnis.

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