Der Welthandel ist so eng verflochten wie nie. Aber ist der Austausch und die Produktion auch fair? Fairtrade will das sicherstellen – und setzt darauf, dass möglichst viele mitmachen. Doch was bedeutet Fairtrade eigentlich genau?

Ob Bananen, Kleidung, Kaffee, Wein oder Rosen – die Produktpalette an fair gehandelten Waren ist vielfältig. Der Hintergrund ist bei allen gleich: Durch gerechte Bezahlung soll eine sichere Lebensgrundlage für die Produzierenden geschaffen werden. Doch wie genau funktioniert Fairtrade? Was bedeutet das Fairtrade-Siegel? Und was hat meine Kaufentscheidung mit Kleinbauern in Afrika zu tun?

Der Aufbau der ersten Fairtrade-Organisationen nahm schon Ende der 1940er Jahre in den USA seinen Anfang. Zu Beginn der 1970er Jahre schwappte die Bewegung nach Deutschland über. Von verschiedenen Seiten war die Kritik an der offiziellen Entwicklungspolitik und dem Modell der freien Marktwirtschaft gewachsen, das kleineren Produzierenden aus dem globalen Süden angeblich keinen gerechten Zugang zum Weltmarkt böte. Als Alternative dazu entstanden Organisationen, die direkten Import aus Ländern Afrikas und Südamerikas nach Deutschland betrieben. Die importierten Artikel wurden zu Preisen angeboten, die die tatsächlichen Kosten der Herstellung decken und zudem den lokalen Erzeugenden ein ausreichendes Einkommen garantieren sollten.

Ende der 80er Jahre setzte sich zunehmend die Idee durch, Produkte aus fairem Handel mit einem Siegel zu zertifizieren. Weitere zehn Jahre später schlossen sich diverse Organisationen zu einem weltweiten Dachverband, dem „Fairtrade Labelling Organizations International“, zusammen. Heute ist der Verband besser unter dem Namen „Fairtrade International“ bekannt. Das Ziel war es Fairtrade-Standards zu schaffen, auf dem Weltmarkt benachteiligte Produzierende zu unterstützen und eine Gesamtstrategie für Fairtrade zu entwickeln. „Fairtrade International“ führte schließlich 2002 das heute bekannte Siegel ein, das Produkte aus fairem Handel kennzeichnet. Natürlich gibt es auch noch andere Organisationen und Siegel, die sich ebenfalls für einen nachhaltigen Anbau sowie gerechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung einsetzen (zum Beispiel Gepa oder World Fair Trade Organization).

Wie funktioniert das Fairtrade-Siegel?

Produkte müssen bestimmte Kriterien erfüllen, um mit dem Fairtrade-Siegel gekennzeichnet werden zu können. Dazu gehören beispielsweise der Verzicht auf Kinderarbeit und die Einhaltung geregelter Arbeitsbedingungen für alle am Herstellungsprozess Beteiligten. Neben Vorgaben im sozialen Bereich beinhalten die Fairtrade-Standards auch ökologische und ökonomische Vorgaben wie den Verzicht auf gefährliche Pestizide oder die Forderung nach transparenten Handelsbeziehungen und der Bezahlung von Mindestpreisen. So sollen die Produktionskosten gedeckt werden.

Darüber hinaus gibt es weitere Standards, die auf bestimmte Produkte oder Produktgruppen sowie deren Herstellungsprozesse abstellen, wie etwa spezielle Vorschriften bei der Arbeit auf Plantagen. Damit die Standards auch wirklich eingehalten werden, werden die Produzierenden durch eine unabhängige Instanz zertifiziert. Nach einer ersten Zertifizierung finden innerhalb von drei Jahren mindestens zwei weitere Überprüfungen statt. Diese regulären Prüfungen werden durch unangekündigte Besuche ergänzt. Nur wenn alle Vorgaben erfüllt sind, erhält der Erzeugende das Fairtrade-Siegel.

Was bedeutet Fairtrade für Afrika?

Das Verbot von Pestiziden und die Vorgaben zum Arbeitsschutz tragen zu einer besseren Gesundheit der Beschäftigten bei. Außerdem gilt ein Verbot von Kinderarbeit. Zudem müssen sowohl die Produzierenden als auch ihre Abnehmenden vertraglich festgehaltenen Standards zustimmen, wodurch beide Seiten zu gleichberechtigten Geschäftspartnerinnen werden. Weiterhin gewährleistet die Zahlung eines Mindestpreises eine Unabhängigkeit von den Schwankungen des Weltmarktpreises, also dem Preis, der auf dem gedachten Marktplatz für international gehandelte Güter (dem Weltmarkt) aufgerufen wird. Schwankungen des Weltmarktpreises spiegeln sich in vielen Produzentenregionen wider und setzen einzelne Länder oft unter Druck. Einen festen, von diesen Schwankungen unabhängigen Preis zu erhalten, kommt in erster Linie den Produzierenden zu Gute. Denn sie geraten rasch in Bedrängnis, wenn sie wegen Marktpreisveränderungen ihre Erzeugnisse nicht mehr mit ausreichend Gewinn verkaufen können. So sollen die Produzierenden lang im Geschäft bestehen können.

Zum anderen profitieren aber auch die lokale Wirtschaft als Ganzes, besonders in den Ländern, in denen nur wenige verschiedene Produkte hergestellt werden. Das ist in Afrika oft der Fall, da der Großteil der Wertschöpfung in der Landwirtschaft erfolgt, häufig auch nur durch eine Handvoll Produkte. Deutlicher wird das an einem Beispiel. Die westafrikanische Elfenbeinküste ist der größte Produzent der Kakaobohne. Das Einkommen vieler Menschen hängt daher am Herstellungsprozess und Export dieses einen Produkts. Wenn der Weltmarktpreis sinkt, zum Beispiel weil die globale Nachfrage zurückgeht, ist die Kakaobohne weniger wert, die Exportierenden erhalten weniger Geld. Wenn sie weniger Geld erhalten, zahlen sie auch den Produzierenden weniger und diese wiederum vielen Kleinbauern. Haben sie weniger Geld, können sie unter Umständen ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten und ihre Familie versorgen. Da das Einkommen vieler Menschen betroffen ist, geben auch viele Menschen weniger Geld aus, was wiederum die lokale Wirtschaft schwächt. Bei einem Fairtrade-Produkt hingegen bleibt der Preis stabil, die Wirtschaft gerät gar nicht erst in eine Abwärtsspirale.

Wie kann ich mit meinem Kauf Fairtrade unterstützen?

Fairtrade-Produkte sind umso erfolgreicher, je mehr Menschen sie durch ihren Kauf im Supermarkt unterstützen. Einfach gesagt bedeutet das, wenn wir im Supermarkt sind und die Fairtrade-Schokolade kaufen, dann stärken wir damit Handelsbeziehungen auf Augenhöhe mit den Produzierenden in Afrika. Entscheiden wir uns für die konventionelle Schokolade, unterstützen wir den damit verbundenen Herstellungsprozess, dem immer wieder der Vorwurf der Ausbeutung der lokalen Erzeugenden anhaftet.

Aber stimmt das wirklich? Zum Fairtrade-Ansatz gibt es immer wieder kritische Fragen. Die drei gängigsten sollen zum Schluss kurz aufgegriffen werden.

Sind Fairtrade-Produkte zu teuer?

Es stimmt, Fairtrade-Produkte sind meist teurer als Produkte ohne Siegel. Doch dieser Mehrpreis ist es, der Einkommen und damit Lebensgrundlagen von Menschen sichert. Der Preis für eine Packung Kaffee mag hoch erscheinen, doch viele Menschen gewichten den Wohlfahrtsgewinn für die Ärmsten noch höher. Die Produkte sind also nicht „zu“ teuer, sondern die Preise wahrscheinlich angemessen.

Kommt das Geld von Fairtrade-Produkten bei den Bauern an?

Ja, zum Teil: Das Geld, was wir im Supermarkt mehr bezahlen, kommt nicht 1:1 bei den Produzierenden an. Vielmehr finanzieren wir mit dem Geld ein System, das sich zur Aufgabe gesetzt hat, mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel zu schaffen. An diesem Prozess sind viele Menschen beteiligt und bekommen einen Anteil vom Gesamtpreis. Die Produzierenden vor Ort in Afrika und Südamerika sind eine Gruppe davon.

Hilft Fairtrade Afrika?

Ja. Viele Länder des globalen Südens, insbesondere in Afrika und Südamerika, leiden bis heute unter bitterer Armut. Entwicklungshilfe sollte keine dauerhafte Lösung sein, wenn sie die Länder abhängig vom Ausland macht. Ein Ausweg könnten lokale Herstellungsprozesse sein, gerade im landwirtschaftlichen Bereich. Sie bieten den Menschen vor Ort nachhaltige Einkommen und befreien sie von ausländischer Bevormundung. Dieses Prinzip ersetzt „Entwicklungshilfe von außen“ durch Initiative von innen – und hat bereits belegbare Erfolge gebracht.

Ist es egal, ob ich konventionell oder Fairtrade kaufe?

Nein. Mit dem Kauf konventioneller Produkte wird die Chance verpasst, etwas zu verändern. Mit dem Kauf von Fairtrade-Produkten wird zumindest das Verbot von Kinderarbeit unterstützt und Produzierenden dabei geholfen, ihr Einkommen abzusichern, unabhängig von internationalen Preisschwankungen.

Klar ist: Es ändert sich nicht alles von heute auf morgen und manche Einwände gegen das Fairtrade-System mögen etwas Wahres enthalten. Aber wenigstens bietet Fairtrade uns als Konsumierenden die Möglichkeit, durch unsere Kaufentscheidung zu zeigen, dass wir die Interessen aller Beteiligten achten und nicht bereit sind, für ein paar Euro Ersparnis Umweltzerstörung und die Ausbeutung von Arbeitenden und Kindern hinzunehmen.

Kai Holdgrün

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