Zehn Stuttgarter Stiftungen engagieren sich im Gemeinschaftsprojekt Stay Tree – Einkommen durch Aufforstung. Sie alle sind Mitglied im Stiftungsnetzwerk Region Stuttgart. Benjamin Wolf erzählt uns, warum Stay Tree gleich doppelt wirkt.
Redaktion: Dieses Programm verbindet in einzigartiger Weise Aufforstung gegen den Klimawandel und neue Einkommensperspektiven für die Ärmsten. Wie kam es dazu?
Benjamin: Die Idee entstand bereits in der ersten Sitzung des Arbeitskreises Internationales des Stiftungsnetzwerks Region Stuttgart im Juli 2018. Im Anschluss an die Sitzung machte ich mit Johannes Schwegler von der Fairventures Worldwide gGmbH einen Vorentwurf für ein Kooperationsprojekt. Ich kannte ihn bereits aus einem Gemeinschaftsprojekt von 2013 in Uganda, bei dem auch die Louis Leitz Stiftung Förderer war. Somit hatten drei der ersten Partnerstiftungen bereits gute praktische Erfahrungen in der Zusammenarbeit gesammelt.
Der Vorteil war, dass sich gleich zu Anfang mehrere Stiftungen gefunden haben, die in ihren eigenen Zielen Schnittstellen hatten, einerseits regional, andererseits thematisch. Das Programm hat es geschafft, den sehr unterschiedlich ausgerichteten Stiftungen Anknüpfungspunkte zu bieten. Sei es Armutsbekämpfung und Einkommensförderung in Afrika, Aufforstung und Umweltschutz oder die Förderung von (Sozial-)Unternehmertum bis hin zur Kooperation von Stuttgarter Stiftungen – es gab verschiedenste Gründe für die Partner, das Programm zu fördern.
Redaktion: Warum kooperieren Stuttgarter Stiftungen mit Stay?
Benjamin: Alle Stuttgarter Stiftungen mit Tätigkeitsbereich Umwelt, Afrika und Armutsbekämpfung sollten dabei sein. Durch die Kombination von Armutsbekämpfung und Umweltschutz sind wir sehr innovative Partner: Wir als Stay bringen das starke Netzwerk einheimischer afrikanischer Sozialunternehmen ein. Und Fairventures Worldwide steuert das Fachknowhow zu Agroforstsystemen bei. So haben wir es zeitnah geschafft, das System mit vier Mitgliedern der LATEK Stay Alliance Uganda zu testen. Inzwischen haben wir fünf Baumschulen, die ersten 382 ausgebildeten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und 72.000 ausgegebene Setzlingen.
Deshalb macht es jetzt auch noch mehr Sinn, darin zu investieren. Es ist ein Pilotprojekt, das durch unser Netzwerk auch gut skalierbar ist. Das heißt, es bleibt nicht ein einzelnes Projekt, das dann abgeschlossen ist. Sondern es ist ein Test für eine massive Ausweitung. Das macht dieses Projekt besonders interessant.
Redaktion: Welche waren die Mutmach-Momente?
Benjamin: Davon gab es viele! Da waren vor allem die Zusagen über die finanzielle Unterstützung, sodass wir das Projekt starten konnten. Bald darauf kamen die ersten tollen Fotos von den Baumschulen mit einer Vielzahl von Setzlingen. Dann war es die Tatsache, dass wir sowohl bei der Anzahl der ausgebildeten Bauern als auch der ausgegebenen Setzlinge die Ziele des ersten Jahres weit übertroffen haben.
Jede weitere Stiftung, die als zusätzlicher Finanzier dazugestoßen ist, hat Mut gemacht. Und schließlich haben wir tolle Videos erhalten, die uns die Motivation und Begeisterung der Teilnehmenden zeigen.
Redaktion: Stimmten Idee und Realität überein?
Benjamin: Die Realität hat die Idee bereits übertroffen! Wir haben so viele unterstützenden Stiftungen. Und wir haben mehr Kleinbäuerinnen und Kleinbauern mit ihren Familien, die vom Projekt profitieren, als geplant.
Redaktion: Welche neuen Perspektiven haben sich eröffnet?
Benjamin: Durch die Marktstudie, die im November 2020 durch die LATEK Stay Alliance Uganda durchgeführt wurde, haben sich überzeugende Perspektiven zum kurzfristig erreichbaren Einkommen und zur Rückzahlung eines Teils der Ausbildungskosten ergeben. Erdnüsse und Bohnen werden 2021 neben den Baumsetzlingen angebaut. Mit den Setzlingen können die Bäuerinnen und Bauern eigene Agroforstflächen anlegen. Auf diesem Flächen können sie Bäume in Kombination mit Früchten und Gemüse anbauen, sodass die Familien ihre Ernährungssituation durch den Anbau verbessern. Zusätzlich können sie aus den Überschüssen Einkommen erwirtschaften. Wir wollen, dass die Programme nachhaltig und langfristig finanziell unabhängig sind.
Redaktion: Viel Papierkram wegen der Kooperation oder ‚schon okay, muss auch mal sein‘?
Benjamin: In einem Kooperationsprojekt dieser Art ist „Papierkram“ unumgänglich. Es müssen ja ein Projektkonzept erstellt und Meilensteine dokumentiert werden, um diese auch Interessenten zur Verfügung stellen zu können. Wir können Erfolge erst belegen, wenn wir die Ausgangslage und Verbesserungen dokumentieren. Unsere Projektpartner sind aber sehr pragmatisch und haben sich für dieses Gemeinschaftsprojekt – oft abweichend von ihren sonstigen formalen Bedürfnissen – z.B. auf eine gemeinsame Form von Antrag und Berichten geeinigt. Das hat die gemeinsame Arbeit der zehn Stiftungen sehr vereinfacht.
Redaktion: Habt ihr Empfehlungen für andere Stiftungen?
Benjamin: Ja, und die ist: machen!
Es gibt Stiftungen, die eher operativ ausgerichtet sind und damit neue Förderer gewinnen wollen. Daneben gibt es fördernde Stiftungen, die ein innovatives Projekt suchen, das sie unterstützen können. Und wenn man diese beiden Kräfte zusammenbringt, profitieren beide sehr davon. So können letztlich deutlich mehr Menschen, die aktiv den Weg aus der Armut gehen wollen, davon profitieren.
Ich bin ehrlich, ich habe die Kraft dieses Kooperationsprojektes unterschätzt. Ich habe das Gefühl, dass durch die Gemeinschaft von Stiftungen eine richtige Dynamik entstanden ist. Jeder hat etwas davon, dass es ein Gemeinschaftsprojekt ist. Am Ende steht nicht nur einer auf dem Podest, es stehen alle drauf.
Redaktion: Wie geht‘s weiter mit dem Projekt?
Benjamin: Wir wollen dieses Programm skalieren, d.h. über Mitgliedsorganisationen unserer Stay Alliances ausrollen und damit deutlich mehr Menschen den Weg aus der Armut ermöglichen. Es ist ein Pilotprojekt, das funktioniert und durch die Kombination aus Holzproduktion und Zwischenfrüchte ein großes Potenzial hat, Menschen ein Leben ohne Armut zu ermöglichen. Die bisherigen Partner-Stiftungen haben eine hohe Identifikation mit dem Projekt und stehen uns sicher auch in der Skalierung zur Seite. Mit den Ergebnissen des Pilotprojektes wollen wir aber zusätzliche auch weitere Stiftungen für dieses Gemeinschaftsprojekt gewinnen.
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